Umbau: Heiss und kalt

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Es geht ums Prinzip.

Umweltfreundlich, zukunftsweisend und kostengünstig: So wollten wir unser Haus heizen – und kühlen. Und das, soweit irgend möglich, unsichtbar. Vor diesem Hintergrund brachte Herr Dollmann die Geothermie ins Spiel: Heizen und Wassererwärmung mit Erdwärme. Und, das war schnell klar, mit vielen Vorteilen: Bei Geothermie gibt es praktisch keine CO2-Emissionen, sie funktioniert wetter- und zeitunabhängig, Erdwärme ist immer verfügbar, ohne zusätzlichen Aufwand für Beschaffung, Lagerhaltung und Entsorgung. Und kostet – abgesehen von der Installation – erheblich weniger als herkömmliche Energiearten. So beträgt der Energiebedarf für die Wärmepumpe gerade mal 20-25% dessen, weiß Herr Dippel, was insgesamt an Heizleistung erzeugt wird, die Kühlleistung ist nahezu umsonst. Und hat einen auch fürs Erdreich positiven Nebeneffekt: Bei der Nutzung von Kühlleistung wird Energie in Form von Wärme ans Erdreich zurückgegeben, es wird also nicht nur im Winter ausgekühlt, sondern im Sommer wieder aufgewärmt, womit eine bessere Balance des Energiehaushalts im Erdreich erzielt wird. Geothermie – diese Idee überzeugte uns sofort und wurde von Dr. Dippel nach einer Bestandsaufnahme des Gebäudes in ein stimmiges Energiekonzept umgesetzt.

Bestandsaufnahme vorher:

  • Fassade ungedämmt
  • Dach teilweise gedämmt
  • Fenster alt
  • hohe Luftundichtigkeit
  • Etagen-Gasboiler
  • Heizkörper
  • Energiekennzahl nach EnEV: Primärenergiekennwert 240 kWh/m²a

Bestandsaufnahme nachher:

  • Fassade mit Dämmputz
  • Dach komplett gedämmt
  • Fenster erneuert
  • Luftdichtigkeit verbessert
  • Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung
  • Nutzung Geothermie: Wärmepumpe mit Erdsonden, umschaltbar für Heizen und Kühlen
  • Fußbodenheizung
  • Kühlregister in der Decke
  • Regenwassernutzung
  • Energiekennzahl nach EnEV: Primärenergiekennwert 70 kWh/m²a

Prothese oder Bein?

Ja, ein stimmiges Energiekonzept, dem Herr Dollmann ebenso bedenkenlos zustimmte wie wir. Doch der Weg von der Idee zur Realisierung sollte sehr lang werden … und schien gleich zu Beginn in einer Sackgasse zu enden. Denn Geothermie braucht für einen optimalen Wirkungsgrad einen Vollschutz des Gebäudes. Für das weissehaus hätte das eine Außendämmung von 15 cm bedeutet. Was sich zunächst nicht nach viel anhörte, aber, so machte uns Herr Dollmann schnell klar, dramatische Konsequenzen gehabt hätte: Bei ringsum plus 15 Zentimetern würden sich die Proportionen des Hauses deutlich verändern. Doch nicht nur das: Bisher überstehende Fensterbrüstungen wären zurückgesetzt, fassadenbündige Fenster plötzlich nach innen gerutscht, das Sichtfeld eingeschränkt gewesen. Kurzum: Nichts hätte mehr zusammengepasst, das Haus wäre optisch ruiniert gewesen. Ein Haus ohne Ohren halt. Natürlich hätte man alles wieder passend machen können. Was die Villa jedoch, da waren wir uns mit Herrn Dollmann mal wieder völlig einig, zu einer Fälschung gemacht hätte. Zu einem Haus ohne Gesicht, ohne Geschichte. Und bei jedem Griff an den Fensterrahmen wäre man sich, so Frida ganz nach Dürrenmatt im “Besuch der alten Dame”, wie ein ehemaliger Liebhaber vorgekommen, der das Mädchen, das er schändete, im Alter wieder trifft und bei jeder Berührung daran erinnert wird, dass das, was er da streichelt, nicht mehr das Bein, sondern eine Prothese ist.

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